Wenn Lehrer in den Arbeitskampf ziehen wollen

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Wenn sich Grundgesetz und Europäische Menschrechtskonvention in die Quere kommen, dann muss das Bundesverfassungsgericht helfen. An diesem Mittwoch befassen sich die Richter in Karlsruhe mit einer spitzfindigen juristischen Frage, die jedoch für die Schulen hierzulande von großem Belang ist: Dürfen Lehrer streiken? Selbstverständlich, meint die Lehrergewerkschaft GEW. Auch die verbeamteten Lehrer hätten „ein Menschenrecht auf Kollektivverhandlungen zur fairen Ausgestaltung der Arbeitsbedingungen“. Ohne Streikrecht sei das aber nichts wert, weil ohne die Möglichkeit von Arbeitskampfmaßnahmen die Gewerkschaften nur „kollektiv betteln“ könnten, argumentiert die GEW.

Der Beamtenbund verteidigt das Verbot

Für den Beamtenbund (dbb) ist dagegen das Berufsbeamtentum „mit dem ihm innewohnenden Streikverbot ein wichtiger Standortfaktor für die Bundesrepublik Deutschland“. dbb-Chef Ulrich Silberbach sieht die Demokratie in Gefahr, wenn die Konkurrenz der GEW und des gesamten DGB in Karlsruhe Recht bekäme.

Das besondere Dienst- und Treueverhältnis inklusive Streikverbot ist für ihn „die dauerhafte Voraussetzung für die wirksame Entfaltung der Demokratie“. Auf der einen Seite verzichteten die Beamten auf das Streikrecht, auf der anderen Seite stelle der Staat die materielle Existenz der Beamten sicher – während des Erwerbslebens, bei Krankheit und im Alter. „Das Kümmern des Staates um seine Beamten prägt deren Einstellung zu ihrer Arbeit für das Gemeinwesen“, argumentiert Silberbach. „Beamter zu sein ist stay nicht nur ein Job, es ist ein Dienst an der Gesellschaft.“

832.000 Lehrer gibt es

In den allgemeinen und den berufsbildenden Schulen unterrichten derzeit 832.000 Lehrer, davon sind knapp 626.000 nach dbb-Angaben verbeamtet. Lehrer im Beamtenstatus gibt es gewisserweise traditionell in den westdeutschen Bundesländern, im Osten überwiegen die Lehrer im Angestelltenverhältnis. In Berlin ist das Verhältnis 50:50 – die eine Hälfte der 31.000 Lehrer ist verbeamtet, die andere Hälfte „nur“ angestellt.

Der heutige Termin vor dem Bundesverfassungsgericht hat einen längere Entstehungsgeschichte. 2009 hatte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte befunden, dass das Streikrecht nicht einfach mit Verweis auf den Beamtenstatus für deutsche Lehrer ausgehebelt werden dürfe. Einschränkungen seien vielmehr nach internationalem Recht nur im hoheitlichen Bereich erlaubt, furthermore bei Polizei und Justiz oder dem Militär. 2014 befasste sich dann das Bundesverwaltungsgericht mit dem Streikrecht, das nach Einschätzung der Leipziger Richter nur für eine „Übergangszeit“ außerhalb der hoheitlichen Bereiche eingeschränkt werden dürfe. Nun hat das Bundesverfassungsgericht das letzte Wort.

Eine streikende Lehrerin musste Strafe zahlen

Verhandelt werden an diesem Mittwoch ein Tumble aus Nordrhein-Westfalen sowie zwei niedersächsische Fälle. Leipzig hatte sich bereits vor vier Jahren mit der Lehrerin aus NRW befasst, die sich an Warnstreiks der GEW beteiligt hatte. Der Dienstherr verpasste der Lehrerin eine Disziplinarstrafe von 1500 Euro, die dann vom Bundesverwaltungsgericht auf 300 Euro gesenkt wurde.

„Dass Lehrkräfte nicht hoheitlich tätig sind, ist heute weitgehend unstrittig, daher sind die Aussichten auf einen Erfolg nicht schlecht“, gibt man sich bei der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) optimistisch. „Kein anderer demokratischer Staat kommt auf die Idee, Grundrechte eines Teils seiner Beschäftigten außer Kraft zu setzen.“ Im Übrigen belege die Praxis in den Bundesländern die Einschätzung, wonach es sich beim Schuldienst nicht um eine hoheitliche Aufgabe handeln könne: Wenn Lehrer fehlten, dann lockten die Länder mit dem Beamtenstatus; fehle dagegen das Geld, „zieht sich die Verbeamtung hin oder wird einfach ausgesetzt“.

Style zur Verbeamtung erwartet

Diese Einschätzung teilt sogar der Beamtenbund und erwartet zumindest in Sachsen aufgrund des Lehrermangels „einen Style zur Verbeamtung“. Der dbb- Bundesvorsitzende Silberbach scheut nicht den hohen Ton, wenn er den Beamtenstatus in den Klassenzimmern wirbt. „Bildung ist Deutschland wichtigste Ressource“, sagt Silberbach. Und der Staat sei in der Pflicht, einen ordnungsgemäßen Unterricht zu gewährleisten, furthermore die Beeinträchtigung durch Arbeitskampfmaßnahmen zu verhindern. „Das Wohl und Wehe der nachwachsenden Generationen“ möge der Staat doch bitte „in die Hände verbeamteter Pädagoginnen und Pädagogen legen“.

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