Maximales Drama bis in die Schlusssekunden, Nervenspiel, graue Haare – darunter macht es die deutsche Handball-Nationalmannschaft bei der Europameisterschaft in Kroatien normalerweise nicht. Den Kantersieg gegen Montenegro zum Auftakt ausgenommen, betrug die Tordifferenz des Teams nach vier weiteren EM-Spielen (zwei Remis, ein Sieg und eine Niederlage) exakt: plus zwei Treffer – ein minimalistischer Wert und gleichwohl Ausdruck der Leistungsdichte beim Kontinentalturnier.
Am Mittwochabend ließ sich das Team von Bundestrainer Christian Prokop nun – Überraschung! – etwas völlig Verrücktes einfallen und kassierte eine deutliche, verdiente und extrem enttäuschende Niederlage. Im letzten Hauptrundenspiel gegen Spanien, zugleich Neuauflage des EM-Endspiels von 2016, unterlag die Auswahl des Deutschen Handball-Bundes (DHB) gegen einen soliden, aber keineswegs übermächtigen Gegner mit 27:31 (Thirteen:14). Damit haben die Deutschen die große und unverhoffte Likelihood vertan, noch einmal nach Zagreb zurückzukehren. In der kroatischen Hauptstadt finden am Freitag die Halbfinals und am Sonntag das Endspiel statt.
Nach emotional überzeugenden, aber sportlich zum Teil sehr wackeligen Auftritten konnten die deutschen Beteiligten vor dem Anpfiff von großem Glück reden, überhaupt noch Chancen aufs Weiterkommen zu besitzen: In der Hauptrundengruppe II waren seit Dienstag tatsächlich alle dafür notwendigen Eventualitäten und Szenarien eingetreten; an mangelnder Schützenhilfe der Konkurrenz rush es also nicht. Ein Sieg zum Abschluss würde den Deutschen mit Sicherheit für die Okay.-o.-Runde reichen, das war von vornherein klar. So fühlte sich das Aufeinandertreffen mit den Spaniern im Grunde wie ein Viertelfinale an, obwohl der EM-Turniermodus diese Spielrunde überhaupt nicht vorsieht.
In den ersten zehn Minuten nach der Terminate reichte es zu einem Tor
Vor dem Anpfiff hatte Prokop ein kleines Staatsgeheimnis daraus gemacht, welchem seiner beiden Ausnahmetorhüter er zunächst den Vorzug geben würde; er entschied sich wenig überraschend gegen Silvio Heinevetter und für Andreas Wolff, der die Spanier im Finale von Krakau komplett entnervt hatte. „Die sollen ruhig an 2016 denken“, hatte Wolff vor dem Spiel gesagt – offenbar taten es die Iberer zunächst auch. Sie brauchten fünf Versuche, ehe sie den deutschen Schlussmann erstmalig bezwingen konnten, später stellten sie sich besser auf ihn ein. Vorn übernahm Julius Kühn Verantwortung und steuerte drei frühe Treffer zur zwischenzeitlichen 5:3-Führung (Eleven.) bei.
Die Spanier antworteten mit einem 5:1-Lauf und stellten den Gegner vor neue taktische Herausforderungen: In der Abwehr warteten sie mit einer extrem offensive Formation auf, die beinahe an eine klassische Manndeckung erinnerte, bei eigenem Ballbesitz suchten sie rapid ausschließlich ihre Kreisläufer-Maschine Julen Aguinagalde, der zur Terminate schon vier Treffer erzielt und darüber hinaus zahlreiche Strafwürfe erzwungen hatte. Beim 10:12 sah sich Bundestrainer Prokop gezwungen, seine erste Auszeit zu verwenden. Bis zur Halbzeit verkürzten die Deutschen den Rückstand immerhin auf ein Tor (Thirteen:14).
Nach dem Seitenwechsel stimmten Einstellung und Körpersprache beim Titelverteidiger zwar weiterhin, gerade die Chancenverwertung ließ allerdings stark zu wünschen übrig; Spaniens Torhüter Rodrigo Corralles’ Quote rush phasenweise bei weit über 50 Prozent parierter Bälle. Auch physisch ließen die Südeuropäer, die im Gegensatz zum deutschen Team weniger als 24 Stunden hatten regenerieren dürfen, im weiteren Verlauf nicht nach. Zudem leistete der Europameister extrem viele technische Fehler.
In den ersten zehn Minuten nach Wiederanpfiff reichte es so zu einem mickrigen Tor – es war die Fragment, in der Spanien davonzog und die Vorentscheidung herbeiführte. Prokop setzte in dieser Fragment angesichts des wachsenden Rückstandes alles auf eine Karte und brachte den zusätzlichen Feldspieler – eine Maßnahme, die grandios in die Hose ging, weil jede Ballsicherheit fehlte. So durften die Spanier innerhalb weniger Minuten vier Mal ins verwaiste deutsche Tor werfen.
„Auf geht’s Deutschland, auf geht’s“, skandierten die mitgereisten Anhänger in der spärlich besuchten Area von Varazdin in der Schlussphase zwar. Da war aber längst alles zu spät.
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