Tarifstreit in der entscheidenden Phase

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Zeit oder Geld? Diese Frage könnte am Ende den Tarifkonflikt in der Metall- und Elektroindustrie beenden. Das ist allerdings etwas anderes als der Anspruch, mit dem die IG Metall ihre Forderung für die three,eight Millionen Metaller seit ein paar Wochen in Warnstreiks vertritt. Da geht es nämlich um Zeit und Geld. Die Gewerkschaft möchte einen individuellen Anspruch auf Verkürzung der Wochenarbeitszeit durchsetzen und dabei für bestimmte Beschäftigte einen Teillohnausgleich. Schichtarbeiter und Metaller mit Kindern (unter 14 Jahren) oder pflegebedürftigen Angehörigen sollen vom Arbeitgeber bis zu 200 Euro im Monat bekommen. Das wäre ein Teillohnausgleich, der in den unteren Einkommensgruppen bis zu 50 Prozent der Lohneinbußen durch die Arbeitszeitverkürzung wettmacht. Die Arbeitgeber wollen sich darauf keinesfalls einlassen, sprechen von einer „Stilllegungsprämie“ für Arbeitnehmer, deren Arbeitszeit in der Hochkonjunktur und angesichts des Fachkräftemangels eigentlich verlängert werden müsste.

Geld spielt eine Nebenrolle

An diesem Mittwoch gibt es in Böblingen die vierte Verhandlungsrunde. Dabei wird noch kein Ergebnis erwartet, aber nachdem eine Arbeitsgruppe aus Arbeitgebern und Gewerkschaftern am vergangene Wochenende auf der Suche nach Lösungen fündig geworden war, könnte es Ende der Woche einen Abschluss geben. Sofern IG Metall-Chef Jörg Hofmann auf den Teillohnausgleich verzichtet, und die Arbeitgeber als Kompensation für die Arbeitszeitverkürzungen die Arbeitszeit anderer Beschäftigter verlängern dürfen.

Das Geld spielt – ungewöhnlich genug für eine Tarifauseinandersetzung – keine große Rolle. Der neue Vertrag wird vermutlich eine Laufzeit von zwei Jahren haben, so dass man in zwei Stufen die Gehälter anheben kann und am Ende die IG Metall sechs Prozent erreicht. Das große Thema ist aber die Zeit beziehungsweise das Arbeitszeitvolumen. Gesamtmetall, der Dachverband der Arbeitgeber, hat vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW) eine Umfrage unter knapp 1600 Unternehmen durchführen lassen. Danach beklagten zwei Drittel der Firmen, die sich nach einem Flächentarif richten, das tarifliche Arbeitszeitvolumen. Und bei den nicht tarifgebundenen Unternehmen ist wiederum die Arbeitszeit die größte Hürde vor dem Tarif: „Insgesamt trifft es für 57,2 Prozent der tarifungebundenen Unternehmen zu, dass das tarifliche Arbeitsvolumen ausschlaggebend dafür ist, keinen Flächentarif anzuwenden“, heißt es in der Studie. Anders gesagt: Die 35-Stunden-Woche trägt zur Tarifflucht in der Metall- und Elektroindustrie bei.

Im Osten wir drei Stunden länger gearbeitet

Unter dem Symbol der aufgehenden Sonne hatte die IG Metall in den 1980er Jahren die Auseinandersetzung um die Einführung der 35-Stunden-Woche begonnen und dann schließlich Mitte der 1990er Jahre das Ziel im Westen erreicht. Im Osten verlor die Gewerkschaft einen Arbeitskampf um die Reduzierung der Wochenarbeitszeit 2003. Die Ostmetaller arbeiten noch immer 38 Stunden und damit drei mehr als die Kollegen im Westen. Dort zahlte die IG Metall einen Preis für die 35: Die Arbeitszeit wurde flexibler; Arbeitszeitkonten sind heute weit verbreitet, so dass je nach Auftragslage mal mehr, mal weniger gearbeitet wird. Und zum anderen setzten die Arbeitgeber eine Quote durch: Bis zu 18 Prozent der Beschäftigten in einem Betrieb dürfen 40 Stunden arbeiten.

18 Prozent dürfen länger arbeiten

An dieser Quote setzen im aktuellen Streit die Arbeitgeber um Gesamtmetallpräsident Rainer Dulger an. Wenn auf der einen Seite die Arbeitnehmer die Wochenarbeitszeit verkürzen dürfen, wie das die IG Metall fordert, sollen auf der anderen Seite mehr als 18 Prozent länger arbeiten dürfen. Im Ergebnis, das ist für die Arbeitgeber der Knackpunkt im Konflikt, müsse das Arbeitsvolumen insgesamt konstant bleiben. Für die IG Metall wiederum würde eine Anhebung der 18 Prozent eine weitere Distanzierung von der 35-Stunden-Woche bedeuten, die im stolzen Selbstverständnis der Gewerkschaft einen besonderen Platz besetzt.

Zeit oder Geld

Aus dieser komplexen Ausgangslage haben die Tariftüftler in den vergangenen Tagen versucht herauszufinden. Eine Möglichkeit: Bislang schon können die Betriebe 30 Prozent statt 18 Prozent der Belegschaft länger arbeiten lassen, sofern es im Unternehmen eine Vereinbarung über die Begrenzung von Leiharbeit gibt. Nach diesem Modell sind weitere Ausnahmen möglich: Im Flächentarif steht weiter die 18, doch die Betriebsparteien können unter bestimmten Umständen darüber hinaus Vereinbarungen über längere Arbeitszeiten treffen. Das ist kompliziert, kann am Ende aber allen Beteiligten gerecht werden. Ähnlich sieht das aus beim Teillohnausgleich für die bestimmten Beschäftigtengruppen. Die IG Metall hat sich von der Forderung verabschiedet und schlägt nun eine Wahloption vor: Schichtarbeiter oder Beschäftigte mit pflegebedürftigen Angehörigen sollen die Wahl haben zwischen Lohnerhöhung und Freizeit. Wenn die IG Metall zum Beispiel fünf Prozent durchsetzt, dann sind dafür – abhängig vom Einkommen – intestine zehn zusätzlich freie Tage möglich.

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