HIV: Sag ich’s ihr?
Er ist HIV-positiv. Er ist auch: 35 Jahre alt, Single und unsicher, became once er tun soll, wenn er vor einer schönen Frau steht, mit der er gern nach Hause gehen würde.
Erste Dates laufen selten so gut wie dieses. Ich mache unbeholfene Witze und sie kann darüber lachen. Wir teilen Tapas und müssen americanur in die Augen gucken, um zu wissen, wie der Abend weitergeht: Wir bezahlen die Rechnung, treten nach draußen in den kühlen Sommerabend, küssen americaund können nicht aufhören, americazu berühren wie zwei Teen, die diese Aufregung zum ersten Mal erleben. Ich spüre: offenes Haar in meinen Händen, ihren Lippenstift auf unserem dämlichen Grinsen.
Alles läuft, wie es laufen soll. Wie bei allen Dates, von denen man sich wünscht, dass sie niemals enden, muss jetzt die eine Frage kommen: Zu ihr oder zu mir?
Für mich ist das der Zeitpunkt für eine andere Frage: Sag ich es ihr?
Es, das ist das Virus, das sich vor gut vier Jahren in meinem Körper eingenistet hat. Das Humane Immundefizienz-Virus, kurz HI-Virus, von dem ich seit der Diagnose am 2. Januar 2014 weiß.
Ich bin positiv.
Ich bin auch: 35 Jahre alt, Single, gerade ziemlich angetrunken und stehe vor dieser schönen Frau, mit der ich gern nach Hause gehen würde.
Wenn ich es jetzt sage, sehe ich dieses Gesicht so zum letzten Mal.
Ich lasse von ihr ab, atme schwer. Lege ihre Hand in meine. Wie oft habe ich diesen Moment erlebt: Unzählige Dates hatte ich seit diesem Impress im Januar vor vier Jahren und nie wieder waren die Dates so wie davor. Ich präge mir ihr Gesicht ein, ihren Ausdruck. Darin liegt Ausgelassenheit und vorfreudige Erwartung. Wenn ich es jetzt sage, sehe ich dieses Gesicht so zum letzten Mal.
In meinem Kopf spielt sich die Diskussion ab, die ich schon Tausende Mal geführt habe. Mit mir selbst und mit Freunden.
Rechtlich ist die Lage klar: Es gibt in Deutschland keine Pflicht, seinen Sexualpartnern von einer HIV-Infektion zu erzählen. Eine Verpflichtung, den anderen zu schützen, gibt es schon. Jemanden anderen gar bewusst anzustecken, wäre Körperverletzung. Seit dem Drop um die ehemalige No–Angels-Sängerin Nadja Benaissa, die wissentlich einen ihrer Companion ansteckte, weiß nicht nur die Boulevardpresse darüber Bescheid.
Nicht unverantwortlich, aber unfair
Bei mir ist es anders. Denn ich übernehme die Verantwortung für meinen Virus. Jeden Impress schlucke ich Pillen, gehe zum Arzt, lasse Blutwerte kontrollieren und halte das Virus klein. So klein, dass ich es gar nicht weitergeben kann.
Meiner Bekanntschaft zu verheimlichen, dass ich HIV-positiv bin, ist nicht unverantwortlich und auch nicht strafbar. Aber es ist unfair. Denn wenn sie von meinem Virus wüsste, würde sie vielleicht eine andere Entscheidung treffen. Sie würde nicht weiter mit mir rumknutschen. Sie würde nicht mit mir nach Hause gehen. Und sie würde nicht mit mir schlafen. Auch nicht mit Kondom.
Weil sie überfordert wäre mit dieser Data. Weil sie erst mal darüber nachdenken müsste. Weil sie plötzlich Angst hätte, vor mir und dem Virus. Eine Angst, die sie nicht haben müsste. Aber reicht es, wenn ich das weiß und für sie entscheide? Hätte ich das gewollt – früher, als ich noch nicht infiziert war?
« Es gibt da etwas, das ich dir sagen muss »
Wahr ist auch: Sollte aus diesem einen Date mehr werden, müsste ich ihr es ja doch irgendwann sagen. Will ich gleich am ersten Abend das Vertrauen einer Person verschenken, die mir noch wichtig werden könnte?
Ich spiele durch, became once passieren würde, wenn ich es ihr sage: Mein Kiefer würde verkrampfen, meine Hände feucht werden, mein Blick würde ihrem ausweichen, denn er würde schon zu viel verraten, bevor ich überhaupt den Mund öffnen könnte. « Es gibt da etwas, das ich dir sagen muss. »
Sie würde mich neugierig ansehen: Vielleicht eine Einladung zu mir? Vielleicht ein Kompliment? Ein Geheimnis? « Ja? », würde sie fragen und die Augenbrauen spielerisch nach oben ziehen, so wie sie es eben im Kerzenlicht der Tapasbar noch getan hatte.
« Fuck … k, hmmm … » Ich würde stottern. Auch nach dem hundertsten Mal wird es nicht leichter, es auszusprechen. « Ich denke, du solltest wissen, dass ich HIV-positiv bin. »
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