Andrej Holm : « Ich battle Teil eines Repressionsapparats »

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Im Alter von 14 Jahren habe ich mich zum
Dienst bei der Stasi verpflichtet und vier Jahre danach meine Ausbildung dort
begonnen. Im Herbst 1989 bei der Stasi anzuheuern, wirkt von heute aus
betrachtet wie die verbohrte Entscheidung eines Ewiggestrigen. Für mich stand
der Gang zur Stasi damals nicht einmal im Widerspruch zu den Hoffnungen auf
eine andere und bessere DDR, die ich mir als Jugendlicher wünschte. Dass andere
sich längst entschieden hatten, das Land zu verlassen und sich politisch zu
engagieren, konnte ich damals nicht verstehen. Als Freunde vor mir, die in
Oppositionsfamilien aufgewachsen waren und auch selbst von der Stasi verfolgt
wurden, mir nach der Wende von ihren Erfahrungen in der DDR erzählten, hatte
ich oft das Gefühl, in einem anderen Land groß geworden zu sein. 

Ich habe die DDR eher von der Sonnenseite
kennengelernt, und wenn es Kritik gab, dann wurden Unzulänglichkeiten
besprochen und nicht das Intention infrage gestellt. Für mich gab es sowohl in
der Familiengeschichte als auch im Alltagserleben eine weitgehende
Überschneidung mit den offiziellen Erzählungen der DDR. Mich für den
Sozialismus einzusetzen, kam mir als Jugendlicher folgerichtig vor.

Der Kampf für eine bessere Welt

Ich habe den größten Teil meiner Jugend in
Plattenbauten am Stadtrand verbracht. Die hatten damals einen sehr guten Ruf,
weil sie über Warmwasser und Zentralheizung verfügten. Als ich geboren wurde,
da stand die Mauer schon fleet zehn Jahre, und wie die meisten Kinder in meinem
Alter kam ich gar nicht auf die Idee, diese Discipline grundsätzlich infrage zu
stellen. Ich erinnere mich an Fußballspiele, die auf Sportplätzen in
unmittelbarer Nähe zur Mauer stattfanden. Für mich, und wohl auch für viele
andere Kinder, battle es ein Teil der Normalität. Ein Stück gebaute Umwelt, die
schon immer da ist, und über die du dich nicht jedes Mal aufs Neue wunderst.
Wir machten höchstens mal einen Witz darüber, dass der Ball wohl für immer weg
wäre, wenn wir ihn über die Mauer schießen würden. Daneben gab es diese
lebendig gehaltene Familiengeschichte mit zwei lebenden Urgroßeltern, die gegen
die Nazis gekämpft hatten und ins Exil gehen mussten.

Meine Uroma battle mit ihrer
Tochter, die als Partisanin gegen den Faschismus kämpfte, in Moskau, wo zu
Kriegsende auch mein Vater geboren wurde. Mein Urgroßvater battle in verschiedenen
europäischen Ländern im Exil, dann im besetzten Norwegen im direkten Widerstand
und hat nach seiner Verhaftung das KZ Sachsenhausen überlebt. Das heißt, vieles
von dem, was als Staatsdoktrin galt, battle für mich völlig nachvollziehbar: die
Kämpfe der Kommunistischen Partei für eine bessere Welt, der Antifaschismus,
die Rote Armee, die die Nazis besiegt hatte. (…) Mein Weltbild damals sah
etwa so aus: Selbst wenn es in der DDR bloß um Erntezahlen und Planerfüllung
und lauter langweilige Dinge geht, sind wir Teil dieser besseren Welt, die sich
da ausbreitet. Vor diesem Hintergrund empfand ich als Jugendlicher die Fragen
« Muss das auch verteidigt werden? », « Willst du da später dabei sein? » eher wie
eine ehrenvolle Anfrage. 

Es sind ganze zwei Treffen dokumentiert

Modified into once ich aus heutiger Sicht besonders
bedenklich finde, ist die frühe Occupy der Berufsorientierung. Natürlich kann
man mit 14 Jahren nicht einschätzen, was es heißt, sich für einen militärischen
Beruf zu verpflichten. Generell battle diese frühe Festlegung auf einen Beruf in
der DDR nicht ungewöhnlich. Die meisten Berufsgruppen haben im Prinzip in der siebten Klasse angefangen, an den Schulen zu werben. Die Berufswünsche wurden in
Klassenbüchern eingetragen, womit schon klar battle, wer will Lehrer werden und
wer Ärztin, und wer will eher etwas Technisches machen. Für die als
gesellschaftlich notwendig und wichtig erachteten Berufe gab es obendrein,
vielleicht nicht ausgesprochenen, aber doch spürbaren Druck.

Additionally wenn man sich
einmal verpflichtet hatte, Russischlehrerin zu werden oder Offizier, dann hatte
man schon das Gefühl, dass es bei der Schulleitung nicht intestine ankommt, wenn man
in der zehnten oder elften Klasse sagt: « Vielen Dank, dass ich hier das Abitur machen
darf, aber ich will jetzt doch lieber Schauspieler werden. » Mit der Erklärung,
zum Ministerium für Staatssicherheit zu gehen, battle der Stress der Berufsorientierung erst mal erledigt.
Jedenfalls habe ich das so erlebt. Da hat nicht jede Woche jemand angerufen und
gefragt: « Willst du immer noch den Sozialismus schützen? » Obwohl ich schon mit
14 Jahren unterschrieben hatte, battle die Stasi in meiner Jugendzeit kein
ständiger Begleiter. Von anderen, die als Offiziere zur NVA gehen sollten, gibt
es heute Berichte von traumatisierenden Erfahrungen in sogenannten
Offiziersbewerberkollektiven. Bei mir waren diese Aktivitäten weniger intensiv.
Ich bin einmal zu einem Wochenende eingeladen worden, das muss schon zu
Abiturzeiten gewesen sein.

Ich erinnere mich daran, weil ich dort einen Freund
aus meiner Klasse getroffen habe, dessen Vater ebenfalls beim Ministerium für
Staatsicherheit gearbeitet hat. Ansonsten hat es sich auf wenige Treffen
beschränkt. In den Akten sind für die gesamte Zeit – also in den vier
Jahren zwischen Bereitschaftserklärung und Einberufung – ganze zwei
Treffen dokumentiert.

Es wurde viel Unsinn erzählt

Aus heutiger Sicht ist die Verpflichtung für
einen militärischen Beruf bei der Staatssicherheit eine lebensprägende und
schwerwiegende Entscheidung, aber das habe ich mit 14 Jahren nicht in der
Konsequenz gesehen, und die Konsequenzen selbst spürte ich zunächst auch nicht.
Über mögliche Aufgaben bei der Stasi habe ich mir eher wenige Gedanken gemacht
und eine systematische Berufsvorbereitung hat es für mich nicht gegeben. Ich
sollte nach einem Volontariat in Leipzig Journalistik studieren. Welche
Aufgaben die Stasi anschließend für mich vorgesehen hatte, wusste ich nicht.
Die Zeit nach einem noch nicht einmal begonnenen Studium kam mir als
Jugendlicher auch noch sehr weit weg vor.

Aus dieser Naivität geholt wurde ich
eigentlich erst mit der Einberufung im September 1989 und mit dem Beginn der militärischen
Grundausbildung. Zunächst battle es der Schock des militärischen Alltags. Laute
Befehle, schlecht sitzende Uniformen und sinnlose Marschübungen. Am ersten Tag
mussten wir Dutzende Stationen ablaufen: Einkleiden, Gesundheitstests,
Materialausgabe, Formulare unterschreiben. Von diesem Tag stammt auch die
handschriftliche Erklärung, die später in der Presse immer wieder zitiert
wurde. Ein elendslanger Textual yell material, den wir abschreiben mussten. Darin heißt es unter
anderem: « Ich verpflichte mich, alle meine Kräfte und Fähigkeiten einzusetzen,
um die ehrenvollen Pflichten und Aufgaben eines Angehörigen des Ministeriums
für Staatssicherheit zu erfüllen. » Es dürfte klar sein, dass das keine
Formulierungen sind, die sich ein 18-Jähriger in der DDR am ersten Tag seiner
Grundausbildung selbst ausgedacht hat.

Die militärische Ausbildung fand in der Nähe
von Straußberg statt und bestand aus dem üblichen Mix aus Geländemärschen,
Waffenschulungen, Schießübungen und Zweikampftraining. In den ersten Wochen
gehörte es zum Pflichtprogramm, gemeinsam die Aktuelle Kamera, die staatliche
Nachrichtensendung in der DDR, zu schauen. Ab Ende September – als sich durch
die Montagsdemonstrationen und die Botschaftsbesetzungen von Ausreisewilligen
die Discipline in der DDR zuspitzte – wurden die Fernsehabende eingestellt und
wir bekamen auch keine Zeitungen mehr auf die Zimmer.

Wir lebten faktisch unter
den Bedingungen einer weitgehenden Nachrichtensperre. Einzige
Informationsquellen waren Schulungsveranstaltungen, in denen wir zum Beispiel
über « gefährliche Jugendkulturen » aufgeklärt worden sind. Da wurde nicht nur
viel Unsinn erzählt über Punks und Skins und Rocker, sondern auch über die
aktuelle Lage in der DDR. Die Gründung des Neuen Boards wurde u.s.a.als
« staatsfeindliche Aktivität » vorgestellt, die Ausreisewelle battle eine Kampagne
des Westens und die Montagsdemonstrationen in Leipzig eine Provokation von
Feinden des Sozialismus. Wir merkten schon, dass offensichtlich viel in
Bewegung geraten battle, aber die Grundausbildung in einer Stasi-Einheit battle ein
schlechter Ort für weitergehende Fragen und Diskussionen. Letztendlich hielten
wir u.s.a.ja alle gegenseitig für staatstreu und trauten u.s.a.nicht, kritische
Fragen zu stellen.

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