Achille Mbembe: « Sie gehören united states of americaallen »
DIE ZEIT:
Der französische Präsident Emanuel Macron hat angekündigt, dass er in den kommenden fünf
Jahren Kunstwerke und Objekte aus französischen Museen an Afrika zurückgeben will. Was
halten Sie von der Erklärung?
Achille Mbembe:
Ich hoffe einfach, dass sie wahr ist. Bisher habe ich noch keine Taten gesehen.
ZEIT:
Sie glauben Macron nicht?
Mbembe: (lang anhaltendes Lachen)
Ich glaube ihm erst, wenn etwas geschieht. Bisher habe
ich noch keinerlei Taten gesehen.
ZEIT:
Was halten Sie denn von Rückgaben? Sollten die ethnologischen Museen Europas geleert
werden und ihre Sammlungen an ihre Herkunftsorte zurückkehren?
Mbembe: (lacht)
Nein, ich glaube nicht, dass alle diese Museen aufgelöst werden sollten.
Aber Afrika und Europa müssen zusammen über Möglichkeiten der Restitution und Reparation
nachdenken. Bisher wurde das nicht angegangen.
ZEIT:
Könnten denn diese Kunstwerke, Ritualgegenstände und Alltagsobjekte dabei helfen, einen
kulturellen Austausch zu fördern?
Mbembe:
Tatsächlich ist Europa verpflichtet, einige der Gegenstände zu restituieren. Und eine
solche Rückgabepolitik muss auch einschließen, dass Museen und Institutionen auf dem
afrikanischen Kontinent errichtet werden, in denen diese Objekte aufbewahrt und kuratiert
werden können. Gleichzeitig sollten wir auf einer internationalen Ebene darüber nachdenken,
wie man diese Objekte für temporäre Ausstellungen von Museum zu Museum reisen lassen könnte.
Selbstverständlich gibt es dabei einige Zwänge und Hindernisse: Wie sorgt man für einen
sicheren Transport? Wie versichert man die Objekte? Aber das Ziel sollte ein grenzenloses
Zirkulieren von Kunstgegenständen sein. Und zwar nicht nur der geraubten Objekte aus Afrika,
sondern des gesamten Erbes der Menschheit.
ZEIT:
In diesem Sinne werden nicht nur die Menschen, sondern auch die Kunstwerke zu
Passanten?
Mbembe:
Sie gehören united states of americaallen. Sie wären eine Manifestation des Commons, des geteilten Erbes.
ZEIT:
Was halten Sie vom Humboldt Forum in Berlin, das künftig auch die ethnologischen
Sammlungen ausstellen soll?
Mbembe:
Ich habe von den Kontroversen um das Humboldt Forum gehört. Ich hoffe ganz einfach, dass
dieses Projekt ebenjenen Werten entsprechen wird, von denen wir gerade sprachen. Europa kann
nicht auf der einen Seite die afrikanischen Artefakte in den Herzen seiner Städte
einschließen und andererseits Afrikanern die Einreise und damit auch den Anblick dieser
Objekte verweigern. Wir müssen an einer Welt arbeiten, in der sich Menschen und Dinge frei
bewegen können.
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