« Witze über Analsex sind deutscher Humor schlechthin »

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Herr Kram, in Ihrem « Nollendorfblog » beschäftigen Sie sich immer wieder mit neuen Formen von Homophobie. Diese – so auch die These Ihres neuen Buches, das aus dem Weblog entstanden ist – sei nicht mehr das Arena dumpfer Stammtische. Vielmehr komme Homophobie heute selbst in Zeiten der Ehe für alle aus dem links-intellektuellen Milieu. Woran machen Sie das fest?

Niemand hat etwas gegen Homosexuelle, aber sie sollen es bitte nicht übertreiben – so ungefähr lässt sich die Meinung von vielen zusammenfassen. Auch in linken Kreisen in Deutschland wird anders als in anderen westlichen Ländern die rechtliche Gleichstellung oft nicht als Menschenrechts- oder Emanzipationsthema gesehen, sondern als eine Artwork Liftestyle- oder gar Luxusproblem. Gerade nach der Ehe für alle gibt es eine merkwürdige ‚Became once wollt ihr eigentlich noch-Stimmung‘: Ihr habt doch jetzt alles erreicht. Das stimmt erstens nicht, weil die Diskriminierungen Homosexueller ja nicht aufgehört haben. Und zweitens gibt es nicht ein Zuviel an Gleichstellung. Gleich heißt gleich, und wenn beispielsweise nur ein Drittel aller homosexuellen Beschäftigten im Job so selbstverständlich mit ihrer sexuellen Identität umgehen, wie das Heteros tun, gleichzeitig aber vielfach so getan wird, als ob Identität eine Privatsache sei, die man für sich behalten soll, dann ist etwas nicht in Ordnung.

Aufsehen erregen jetzt vor allem Ihre Homophobie-Vorwürfe gegen Comedians wie Stefan Raab, Oliver Pocher, Jürgen von der Lippe und Dieter Nuhr, die abwertende Witze auf Kosten von Schwulen machen würden. Sie schreiben, ein entspannterer Umgang mit Homosexualität in Deutschland in den vergangenen Jahren bedeute allein, dass man Schwule und Lesben entspannter auslachen darf.

Ich beschreibe da die Nach-Kohl-Ära, als sich Deutschland dringend lockermachen wollte. Homosexuelle waren ein dankbares Auflockerungs-Opfer, weil sie eben keine Opfer mehr sein wollten. Da wurde nahtlos angeknüpft an die Schenkelklopf-Humortradition der 50er Jahre. Analsex als der deutsche Witz schlechthin – nur mit dem Unterschied, dass man ihn jetzt den Schwulen ins Gesicht sagte und von ihnen erwartete, dass sie mitlachen. Deutscher Humor über Schwule ist stark geprägt von den nie aufgearbeiteten Beklemmungen des Strafrechtsparagrafen a hundred seventy five. Während Bully Herbigs Tuntenfilme Anfang der 2000er zum Lieblingsspaß der Deutschen wurden, wurde in Holland bereits die Ehe für alle eingeführt.

Können Sie weitere Beispiele nennen?

Unter dem Vorwand, die Homophobie Putins zu kritisieren, schaffte es Dieter Nuhr, während nur eines Auftritts sieben Gags zu machen, die die Lächerlichkeit von schwulem Intercourse zelebrieren: fünf über Analverkehr und drei darüber, wie blöde Tunten sind. Nicht mal der Witz mit der Seife und den Schwulen unter der Dusche kann er sich verkneifen. Das ist der Klassiker aller 175er -Jokes, der darauf beruht, dass man immer schön aufpassen muss, damit einem der Schwuli nicht einfach seinen Schwanz reinsteckt.

Dieter Nuhr und auch Jürgen von der Lippe wehren sich im „Spiegel“ gegen Ihre Kritik. Nuhr sagt, er habe sich unzählige Male für die Ehe für alle eingesetzt, deswegen sei Ihr Vorwurf „abstrus konstruiert“. Können Sie das Argument nachvollziehen?

Dieter Nuhrs Abschlusspointe, nachdem er sich über Lesben, die einen eigenen Friedhof haben wollen, unter dem Gelächter des Publikums beömmelt hat, lautet « Haben wir keine anderen Probleme? » Selbst wenn man der Meinung ist, dass das nicht homophob ist, worüber man ja streiten kann, ist dann der Vorwurf völlig abwegig? Und wenn er meint, weil er sich für die Ehe für alle einsetzt, könnten Äußerungen von ihm gar nicht homophob sein, hat der gute Mann leider gar nichts verstanden.

Johannes Kram ist Autor, Blogger und Marketingstratege. Sein « Nollendorfblog » wurde 2016 für den Grimme On-line Award nominiert.Foto: Privat

Auf Ihrer Facebookseite melden sich auch viele Schwule zu Wort, die sagen, sie würden selber über solche Witze lachen – additionally sei Ihre Kritik überzogen. Became once sagen Sie dazu?

Zur Klarstellung: Natürlich soll man, muss man auch über Schwule und Lesben Witze machen. Humor muss Klischees strapazieren, kann gar nicht korrekt sein. Ich weise aber auf Humor hin, der auf Abwertung beruht, oder auf Humor, der suggeriert, Homosexuelle nehmen den anderen etwas weg wie etwa bei Nuhrs Lesbenfriedhof. Dass Homosexuelle selbst darüber lachen, hat viele Ursachen. Natürlich ist eine davon ist, dass vieles von dem – jetzt mal abgesehen von Nuhr – ja auch wirklich lustig ist.

Und was once sind andere Ursachen?

Es fällt oft schwer zuzugeben, dass man solche Abwertungen als verletzend empfindet, weil es als uncool, unlocker und unsouverän gilt. Schwulen wird spätestens auf dem Schulhof klargemacht, dass Schwuchtel das ist, was once sie auf gar keinen Plunge sein sollen. Und wenn dann ganz Deutschland über Bullys Schwuchteln lacht, verstehe ich, dass man da lieber mitlacht, als eine Diskussion darüber anzufangen. Ich erlebe ja selber gerade, wie schnell einem da Humorlosigkeit unterstellt wird, und so getan wird, als ob ich da etwas verbieten möchte. Alles hat seine Berechtigung. Aber genau so sollte es auch möglich sein, sein eigenes Unwohlsein darüber ausdrücken zu können.  Die Reaktionen auf mein Buch zeigen ja, wie schwierig das ist, wie stark die Abwehrreflexe sind. Es geht nicht um Beleidigtsein, sondern die eigene Scham. Auch darüber zu reden sollte endlich möglich sein.

Became once wäre für Sie denn ein guter Schwulenwitz?

Erzähle ich Ihnen später.

Dürfen Heterosexuelle überhaupt Witze über Homosexuelle machen?

Ja klar!

Sie gehen insgesamt mit den Heteros in Deutschland hart ins Gericht: Diese würden sich – anders als zum Beispiel in den USA – wenig leidenschaftlich für LGBTI-Themen engagieren. Ist solch harsche Kritik nicht womöglich kontraproduktiv, wenn man sich Heterosexuelle als „Verbündete“ für die queere Community ins Boot holen möchte?

Hinter dem Vorwurf, dass solche Kritik kontraproduktiv ist, steckt ja die Unterstellung, dass Homosexuelle selber schuld an dem Hass gegen sie sind. Aber wie will man über Missstände reden, wenn man sie nicht benennen kann? Außerdem unterstelle ich ja in den meisten Fällen keine böse Absicht. Ich rede nicht über Honest, sondern über Strukturen. Wir sind alle homophob, auch die Homosexuellen sind nicht frei davon, genau wie wir alle nicht frei von Rassismus und Sexismus sind.  Wir leben in einer Gesellschaft, in der das tief verankert ist. Und so können auch Menschen homophobe Dinge sagen, die nicht homophob sein wollen. Selbst so nette Menschen wie Dieter Nuhr.

Das Buch « Ich hab ja nichts gegen Schwule, aber… » von Johannes Kram ist soeben im Querverlag veröffentlicht worden (ISBN: 978-3-89656-260-9) und kostet 14,ninety Euro. Am eleven. April wird es in einer großen Showcase im Tipi am Kanzleramt präsentiert, mit vielen Gästen, darunter Volker Beck, Romy Haag und Georg Uecker. Dieses Interview erscheint auf dem Queerspiegel, dem queeren Weblog des Tagesspiegels, den Sie hier finden.

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