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Ägyptens Präsidentschaftswahl stellt auch Europa bloß

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Unter Ägyptern verbreitet sich auf Facebook derzeit ein Foto. Darauf zu sehen ist eine Frau, im achten oder neunten Monat. Mit ihrem Accomplice schaut sie völlig überrascht und voller Glück auf einen Schwangerschaftstest. Daneben steht auf Arabisch sinngemäß: „Wenn in Ägypten die Wahlergebnisse bekanntgegeben werden.“

Sieben Jahre nach dem sogenannten arabischen Frühling bleibt der Bevölkerung wohl nicht viel mehr, als sich in der neuen und alten Militärdiktatur unter Abdel Fatah al Sisi mit schwarzem Humor einzurichten. Die Demokratie in einem der strategisch wichtigsten Länder des Nahen Ostens liegt in Trümmern, doch so richtig scheint sich kaum jemand daran zu stören.

Offiziell wird das Ergebnis der Präsidentschaftswahl erst am Ostermontag verkündet. Die staatliche Zeitung Al-Ahram meldete aber bereits, al Sisi habe ninety two Prozent der Stimmen bekommen. Alles andere wäre eine Überraschung gewesen, denn al Sisi hatte bereits vor Monaten alle anderen Kandidaten ins Gefängnis werfen lassen oder gedrängt, ihre Kandidatur zurückzuziehen. Sein einziger Konkurrent auf dem Stimmzettel, Moussa Moustapha Moussa, ein erklärter Freund al Sisis, soll der Zeitung zufolge gerade einmal drei Prozent erhalten haben – weniger als die Zahl der ungültigen Stimmen.

Die Lehren des Westens

In internationalen Medien – die freie Presse in Ägypten existiert längst nicht mehr – wird berichtet, dass Wähler massenhaft mit ein paar Euro bestochen, bedroht, oder direkt von den staatlichen Arbeitgebern ins Wahllokal gebracht wurden. 60 000 politische Gefangene soll es in Ägypten geben. Wer nicht für al Sisi ist, schweigt aus Angst, sitzt im Gefängnis oder ist tot. 60 Prozent der Wahlberechtigten nahmen nicht einmal teil.

An Zynismus wird die Wahlfarce nur noch übertroffen von der Reaktion aus Europa und den USA. Der Geschäftsträger der US-Botschaft, Thomas H. Goldberger twitterte, er sei „beeindruckt vom Enthusiasmus und Patriotismus der ägyptischen Wähler“. Angela Merkel, die im vergangenen Jahr al Sisi mit einem Besuch beehrte, um mit ihm einen neuen Flüchtlingsdeal auszuhandeln, schweigt immerhin zu der schreienden Ungerechtigkeit.

Der Westen, so scheint es, hat seine Lehren gezogen aus den Bemühungen um Demokratie in der Space. Libyen ist seit dem Sturz von Diktator Muammar al Gaddafi ins Chaos gerutscht. Der Revolutionsversuch im Jemen bereitete den Boden für einen verheerenden Stellvertreterkrieg. Syrien … muss man mehr sagen? Das Resultat: Millionen von Flüchtlingen, die auch und vor allem ihr Leben in Europa zu retten suchten. Mehr als eine halbe Million Tote. Das Erstarken terroristischer Gruppen, auch, aber nicht nur des IS.

Assad wird es mit Genugtuung zur Kenntnis nehmen

Der wohlwollende Umgang mit al Sisi in Ägypten, der den islamistischen aber frei gewählten Präsidenten Mohammed Mursi aus dem Amt putschte und nun seine 2013 errichtete Militärherrschaft zu legitimieren versucht, sendet deshalb ein Signal weit über das Land hinaus: Europa und die USA sind bereit, mit den schlimmsten Regimen zusammenzuarbeiten – wenn sie nur für Ruhe sorgen. Baschar al Assad in Damaskus wird es mit Genugtuung zur Kenntnis nehmen. Und auch Ordnungsrufe an die Türkei kann vor diesem Hintergrund niemand ernst nehmen.

Der Preis für vermeintliche Stabilität ist hoch: Verrat an den eigenen Werten.

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